Knapp 13 Jahre nach dem Tod von Amy Winehouse erscheint eine biografische Verfilmung in den Kinos. Wird der Film den Erwartungen der Fans gerecht und ist er auch was für Nicht-Fans?
„Back to Black“ heißt der neue Film über Amy Winehouse, der jetzt in die Kinos kommt. Die Musikerin wird gespielt von Marisa Abela; Kinostart ist der 11. April 2024. Wird er den Erwartungen gerecht und wie nah kommt er wirklich an das Leben von Amy Winehouse? SWR3-Musikredakteurin Helena Stössel hat sich den Film angesehen – hier ist ihre Filmkritik.
Film-Kritik zum Amy-Winehouse-Film „Back to Black“
Sie ist eine Musiklegende, die im Alter von 27 Jahren an einer Alkoholvergiftung starb. Ihr Leben war gezeichnet von Dramen und einem kometenhaften Musikerfolg, der für Amy nicht zu verkraften war.
Schon mit dem ersten Filmzitat von Amy wird klar, dass die Soulsängerin so dargestellt wird, wie sie vor allem ihr Vater in Erinnerung behalten möchte: Seiner Ansicht nach authentisch, musikverliebt und bodenständig. Der Film portraitiert sie als Privatperson: eine verträumte Visionärin mit Unsicherheiten, die familienorientiert war.
Amy Winehouse' Beziehung zu Vater und Großmutter
Es sind die Beziehung zu ihrer Großmutter, mit der sie die Liebe zum Jazz und den 50er-Jahre-Look teilte, und die zu ihrem Vater Mitch, die im Film im Mittelpunkt stehen. Während er als stolzer, unterstützender Vater gezeigt wird und später der Manager von Amy wird, spielt die Mutter nur eine Nebentolle im Film. Dass Amy unter dem angespannten Verhältnis ihrer getrennten Eltern leidet, wird nur kurz thematisiert.
Spannend wird die Perspektive, als die dramatische Liebesbeziehung mit Amys Ex-Mann Blake Fielder-Civil in den Fokus rückt. Ein fast schon rotes Tuch für Amy Fans, die immer wieder verstehen wollen, wie es zu diesem Zusammenschluss kam. Der Film gibt Einblick in die Liebestragödie und die Chance, diese nachvollziehen zu können.
Amy Winehouse und Ex-Mann Blake Fielder-Civil
Doch die offensichtlich hoffnungslose Liebe für den Filmproduktionsassistenten Blake, gespielt von Jack O’Connell, wirkt fast schon kindlich-naiv und von der rosaroten Brille geprägt. Mit ihm rutscht Amy in ein Drama, welches von überwältigender Anziehung, Drogenmissbrauch und öffentlichen Kontroversen überschattet wird.
Es war spannend zu sehen, wie ähnlich sie sich waren und beide nicht mit ihrem Erfolg klarkamen. Ihre Geschichte erinnerte mich an das Sprichwort „Gegensätze ziehen sich an“, doch in ihrem Fall waren es ihre Ähnlichkeiten, die Amy krank vor Liebe machten.
Marisa Abela spielt Amy Winehouse in „Back to Black“
Mit dem Tod ihrer Großmutter nimmt der Film eine tragische Wendung. Amy kämpft mit Suchtproblemen, öffentlicher Kritik und Beziehungsproblemen, die sie in die Einsamkeit treiben.
Der Film lebt von Amys vielseitigem Charakter, den die Schauspielerin Marisa Abela mit einer beachtlichen schauspielerischen und gesanglichen Leistung verkörpert. Teilweise fühlte sich der Film wie eine Dokumentation an, der auf genaue Weise bekannte Szenen aus ihrem Leben nachspielt. Marisa Abela imitiert mit ihrer Sprechweise und Körperhaltung Amy sehr originalgetreu. Ich vergaß sogar stellenweise, dass es sich um eine Schauspielerin handelt.
Wichtige Momente in Amy Winehouse' Leben lückenhaft dargestellt
Ein bereits bekannter Moment aus Amys Leben ist zum Beispiel die Szene, in der sie sichtlich unter einem Rausch aus einem Londoner Konzertsaal zu den Grammy Awards 2008 zugeschalten wird.
Diese nachgestellte Szene mit Amys Bandmitgliedern wirkte erstaunlich echt. Das erschrockene Gesicht, als ihr Jazzvorbild Tony Bennett ihren Grammy-Gewinn verkündet, sie fest ihre Mutter umarmt und sie fragt, was sie jetzt ins Mikrofon sagen soll.
Dass sie aufgrund ihres Drogenmissbrauchs nicht in die USA zu den Grammy Awards reisen durfte, wurde aber wiederum im Film ausgelassen. Vielmehr sollen diese Momente im Film bewusst an die goldenen Stunden der Amy Winehouse erinnern.
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Lohnt sich der Film über Amy Winehouse für Nicht-Fans?
Ich muss sagen: Absolut, für die viel mehr als für eingefleischte Amy-Fans! Der Film wirft viel mehr einen einfühlsamen Blick auf das Leben der Künstlerin und wirkt schon fast wie ein unterhaltsames Musik-Drama.Als Amy Winehouse Fan hatte ich zugleich den Eindruck, dass es eine Filmbiografie ist, die einen – ich will schon fast sagen – unvollständigen Blick auf die Künstlerin wirft.
Zum Beispiel ist bekannt, dass Amy Winehouse an einer psychischen Erkrankung litt. Diese führte zu Essstörungen und dazu, dass sie sich selbst verletzte und Drogen nahm. Doch diese Erkrankung wird im Film gar nicht bis nur oberflächlich thematisiert. Stellenweise wird sie sogar hilfloser und schwächer dargestellt, was vielen Amy-Fans negativ auffallen wird.
Amy Winehouse und die Musik – nicht die Drogen
Amy brennt hauptsächlich für die Musik und nicht für den Erfolg. Angeblich. Im Film wird es so dargestellt, dass genau dieser schnelle Erfolg, der auch mit der Klatschpresse einherging, eigentlich ihr Leben zerstört hat. Gar nicht mal so sehr ihr instabiles Elternhaus oder die Beziehung zu Blake.
Ein spannendes und sehr wohlwollendes Narrativ, das über Amy erzählt wird. Aber eigentlich auch nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass das Musiklabel und Amys Vater den Film mitgestaltet haben.
Trotz dieser sehr verträumten Darstellung von Amy sind die Szenen, in denen ihre Songs zu hören sind, starke Gänsehautmomente. Denn die sind es, die ihre Geschichte und Gedanken am authentischsten erzählen.Auch, und da müssen Amy-Fans jetzt stark sein, wenn es im Film nicht die originalen Songs sind, sondern die von der Schauspielerin sehr stark nachgeahmten Versionen.
Für mich bleibt der Eindruck: Amy Winehouse war eine Jazzseele, die durch die Popmusikindustrie in einen Rock’n’Roll-Lifestyle rutschte.
Cover oder Original? Von wem ist dieser Song eigentlich wirklich?
Fazit: Wie gut ist der Film „Back to Black“?
Der Film wirkt mit seinen 122 Minuten sehr kurzweilig und unterhaltsam. Genau wie ein Film aus einer leicht verblendeten und möglichst unterhaltsamen Amy-Perspektive sein sollte: Glücklich, deprimierend und lustig. Die schauspielerische Leistung und der Mut der Hauptdarstellerin sind beachtlich. Die musikalischen Momente hinterließen Gänsehaut.
Zugleich ich als Amy Winehouse Fan wenig Neues herausziehen konnte und mir stellenweise die Tiefe gefehlt hat, vergebe ich für „Back to Black“ gutgemeinte 4 von 5 Elchen.
Amy Winehouse' Todesursache
Amy Winehouse starb am 23.7.2011 an einer Alkoholvergiftung. Sie wurde 27 Jahre alt. Laut Obduktion habe sie über 4 Promille im Blut gehabt.